Akzeptanz von KI beim Recruiting: Bewerbende skeptisch

Eine künstliche Intelligenz in Personalauswahlverfahren verspricht hohe Zeit- und Kosteneffizienz und dazu mehr Objektivität. Den Vorteilen solch neuartiger Technologien steht jedoch ein großes Hindernis gegenüber: die Akzeptanz der Bewerber*innen.

Mit der Digitalisierung haben seit einiger Zeit vermehrt Informationstechnologien Einzug in den Bereich des Recruitings erhalten. Neben Bewerbermanagementsystemen, Videointerviews oder der Möglichkeit, sich online zu bewerben, werden zunehmend auch Programme auf Basis von Big Data, der Verarbeitung natürlicher und damit verbunden auch basierend auf künstlicher Intelligenz (KI) verwendet.

Im Bereich des Recruitings können sie in verschiedenen Phasen verwendet werden: bei der Kandidat*innensuche, der Vorauswahl, dem Auswahlprozess sowie als Hilfe bei der Entscheidung. Das Potenzial liegt darin, dass durch diese Technologien eine Großzahl von Daten analysiert, Prognosen erstellt und schließlich kausale Zusammenhänge gefunden werden können, welche eine verbesserte Auswahl von Bewerbenden ermöglichen.

Zeitersparnis in der Vorauswahl

Eine voll- oder teilautonome Vorauswahl bietet beispielsweise die Möglichkeit, mit Hilfe von selbstlernenden Algorithmen Bewerbungsunterlagen analysieren zu lassen. Je nachdem, wie viele Daten der Software zur Verfügung stehen, können ebenfalls ganze Datenbanken mit Bewerbungen innerhalb des Unternehmens durchsucht und analysiert werden. Die künstliche Intelligenz analysiert dabei die Daten erfolgreicher Mitarbeiter*innen, beispielsweise ihre Fähigkeiten und Persönlichkeitsmerkmale sowie ihre Produktivität, und gleicht diese mit den Daten von Bewerbenden ab.

Auch werden die Daten der Bewerbenden mit den festgelegten Anforderungen in der Stellenanzeige abgeglichen. Einige Unternehmen nutzen solche Technologien bereits in einem mehrstufigen Bewerbungsprozess. So füllen die Bewerbenden beispielsweise ein Formular aus, welches mit ihrem LinkedIn-Profil verknüpft wird, daraufhin müssen diese an einem Mix aus Online-Spielen und Tests teilnehmen. Im Anschluss findet ein Interview über die Software „HireVue“ statt. Dies ist ein Programm, das mit Hilfe von künstlicher Intelligenz ein Video analysiert. Danach kommt es zu einem Assessment Center im Unternehmen. Durch die Technologien hat sich der Bewerbungsprozess stark verkürzt.

Wirtschaftlichkeit und Validität vs. Akzeptanz

Der Zeit- und Kosteneffizienz solcher Verfahren steht allerdings die Frage gegenüber, was die Bewerbenden präferieren. Zu der Akzeptanz von ,,analogen“ Personalauswahlverfahren bestehen bereits Modelle, welche versuchen, die Akzeptanz oder Präferenz der Bewerber*innen anhand unterschiedlicher Faktoren zu erklären. Beispiele sind das Konzept der sozialen Validität von Schuler und Stehle (1983) oder das Modell von Gilliland (1993). In den Ergebnissen kristallisierte sich heraus, dass die Verfahren mit den höchsten Akzeptanzwerten – beispielsweise das Bewerbungsinterview oder das Assessment Center – keineswegs auch die Verfahren mit der höchsten Validität sind. Ein Intelligenztest ist zur Vorhersage für die Arbeitsleistung weitaus besser geeignet, ist allerdings auch unbeliebter und wird daher weniger häufig genutzt. 

Verfahren auf der Basis von KI 

In einer Studie von Dahm und Dregger (2019), welche die Akzeptanz und Wirkung von KI im Recruiting untersuchten, zeigte sich, dass die Befragten am ehesten bereit waren, mit einem KI-basierten Chatbot zu interagieren und ihre Bewerbung durch ein KI-System bei einer Vorauswahl bewerten zu lassen. 

Eher ablehnend standen sie der Nutzung von KI im Rahmen eines Telefoninterviews gegenüber, bei dem die KI am Ende ein Persönlichkeitsprofil erstellt. Dahm und Dregger entnahmen den offenen Kommentaren der Nutzer*innen, dass ein Mensch in den Recruiting-Prozess involviert sein sollte, und zwar umso mehr, je weiter dieser fortschreitet. 

Auf Basis dieser Untersuchung führten wir selbst eine Studie durch, in der wir die Akzeptanz von analogen Personalauswahlverfahren mit der autonomen Vorauswahl verglichen. Als analoge Verfahren wurden das klassische Interview, Intelligenztests, das Assessment Center und Persönlichkeitstests gewählt, da sie bereits verbreitet und etabliert sind und zudem ein relativ breites Spektrum abdecken. Der Sachverhalt wurde anhand einer Online-Umfrage mit 80 Items untersucht.

Bewerbende legen nach wie vor viel Wert auf persönliche Interaktionen im Auswahlverfahren. Foto: Contrastwerkstatt / Fotolia)

Menschliche Interaktion und Entscheidungen 

Die Ergebnisse weisen in Bezug auf die Akzeptanz zu einem Großteil Übereinstimmungen zu anderen Forschungsarbeiten auf: Hier wie dort erfahren Interview und Arbeitsprobe die jeweils höchsten Akzeptanzwerte. Der persönliche Kontakt wird zudem sehr geschätzt. 

Dass die autonome Vorauswahl deshalb diesbezüglich am schlechtesten abschneidet, ist in der Hinsicht logisch. Allerdings stellt sich die Frage, inwiefern andere KI-Technologien, welche mehr Kommunikation bieten, wie z. B. ein Chatbot oder ein Videointerview mit einem Roboter, besser bewertet und akzeptiert würden. Insgesamt zeigen unsere Ergebnisse, dass künstliche Intelligenz in Personalauswahlverfahren bisher noch eher kritisch gesehen wird und andere Verfahren momentan noch bevorzugt werden. 

Fazit 

Einiges deutet darauf hin, dass Bewerber*innen immer noch sehr viel Wert auf die persönliche Interaktion, den Jobbezug oder die wahrgenommene Passung zum Unternehmen legen. 

Für die Unternehmen hingegen spielt neben den Kosten auch die Validität eines Verfahrens eine hohe Rolle, welche oftmals nicht mit den Präferenzen der Bewerber*innen hinsichtlich der Auswahlverfahren zusammenfällt. Hier gilt es für die Unternehmen, eine Balance zu finden zwischen den einzelnen relevanten Faktoren wie Kosten, Validität und Akzeptanz der Bewerber*innen. 

Eine genaue Anforderungsanalyse bietet die Möglichkeit, die richtige Kombination von Verfahren für die jeweilige Stelle zu finden, die ausreichend Validität und Akzeptanz bietet. Die Nutzung von KI kann dabei unterstützend wirken, indem zum Beispiel auch die Unternehmensseite stärker analysiert wird. In Kombination mit interaktiven analogen Verfahren wird zudem solch ein Verfahren wahrscheinlich auch eher angenommen. 

Ziel sollte es sein, eine Win-win-Situation für Bewerber*innen sowie Unternehmen zu schaffen. KI kann hierzu zweifellos einen Beitrag leisten und wird in Zukunft immer stärker genutzt werden. Solange eine KI bestimmte Gütegrade allerdings noch nicht erreichen kann, bleibt der Mensch als Ansprechpartner in Personalauswahlverfahren unverzichtbar. 

Literatur 

[Werbung] Dahm, M. & Dregger, A. (2019). Der Einsatz von kunstlicher Intelligenz im HR: Die Wirkung und Forderung der Akzeptanz von KIbasierten Recruiting-Tools bei potenziellen Nutzern. In B. Hermeier, T. Heupel & S. Fichtner-Rosada (Hrsg.), Arbeitswelten der Zukunft (S. 249–271). Wiesbaden: Springer. 

Gilliland, S.W. (1993). The perceived fairness of selection systems: An organizational justice perspective. Academy of Management Review, 18, 694–734. 

Schuler, H. & Stehle, W. (1983). Neuere Entwicklungen des Assessment-Center-Ansatzes – beurteilt unter dem Aspekt der sozialen Validitat. Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie, 27 (1), 33–44.