Mediation im Arbeitskontext – auch bei Diskriminierungsvorfällen?

Mediation, das Mittel der Wahl zur Konfliktlösung bei Diskriminierungsvorfällen? Ergibt das Sinn? Wann das Verfahren geeignet ist und worauf Sie bei Ihrer Suche nach Mediator:innen achten sollten, erklärt Wirtschaftspsychologin und Mediatorin Agnes Dyszlewski in diesem Artikel.

„Mediation? Was soll das sein? Wahrscheinlich ist Meditation gemeint.“ So reagieren nicht wenige, wenn sie zum ersten Mal den Namen dieses Verfahrens für Konfliktlösung hören, da Mediation für viele Menschen noch immer ein unbekannter Prozess ist. Was steckt dahinter?

Mediation ist ein strukturiertes Verfahren zur Konfliktlösung zwischen mindestens zwei Parteien. Es wird ein Dialograum geöffnet, der es allen Parteien ermöglicht, mit ihren Anliegen und Bedürfnissen gesehen und gehört zu werden. Das Verfahren der Mediation basiert auf einem humanistischen Menschenbild und auf 5 Grundprinzipien: Allparteilichkeit, Freiwilligkeit, Offenheit, Eigenverantwortlichkeit und Vertraulichkeit. Dabei wird durch die Begleitung von Mediator:innen gegenseitiges Verständnis erzeugt und im besten Fall ein Konsens gefunden. Das Verfahren der Mediation findet im privaten sowie im beruflichen Kontext Anwendung und ist seit 2012 in Deutschland durch das Mediationsgesetz definiert. Mediation ist ein freiwilliges Verfahren, das zu jedem Zeitpunkt von Mediand:innen und Mediator:innen beendet werden kann.

Mediation – eine Begegnung auf Augenhöhe

In einer Mediation bekommen Bedürfnisse und Emotionen der Mediand:innen Raum. Dies kann im Arbeitskontext oftmals nicht vollständig erfüllt werden. Warum?

Mediationen im Arbeitskontext bringen oftmals die Herausforderung der Diskrepanz zwischen Rolle vs. Mensch mit sich. Inwiefern kann ich mich im Raum der Mediation als Mensch mit Bedürfnissen und Gefühlen öffnen, wenn ich weiterhin meine Arbeitsrolle innehabe? Ist es von Arbeitgeber:innen-Seite okay, Emotionen im Arbeitsverhältnis zu zeigen? Und inwieweit kann ich es mit meinem eigenen Rollenverständnis vereinbaren?

Ein weiterer Aspekt sind vorhandene Machtasymmetrien innerhalb eines Arbeitsverhältnisses. Diese bestehen vor, während und nach einer Mediation. Beispielsweise zwischen Führungskraft und mitarbeitender Person. „Begegnung auf Augenhöhe” darf bei Mediationen im Arbeitskontext deshalb oftmals in Anführungszeichen gesetzt werden.

Mediationen bei Diskriminierungsvorfällen

Lassen Sie uns etwas Erwartungsmanagement für Mediationen bei Diskriminierungsvorfällen betreiben. Was dürfen Sie beachten und erwarten, wenn Sie eine Mediation in Erwägung ziehen?

Mediator:innen treten in dem Verfahren als Strukturexpert:innen auf. Sie dürfen erwarten, dass Mediator:innen einen Fahrplan haben, zu jedem Zeitpunkt das Verfahren strukturieren, den Raum halten und keine weiteren Verletzungen ungeklärt zurückbleiben. Ebenfalls können Sie eine klare Positionierung von Seiten der Mediator:innen gegen jede Form von Diskriminierung erwarten, was in keinem Widerspruch zur Allparteilichkeit steht. Auch dürfen Mediand:innen Empathie von Seiten der Mediator:innen erwarten. Das gegenseitige Verständnis der Parteien zu erzielen, hängt jedoch nicht nur von den Fähigkeiten der Mediator:innen ab, sondern liegt ebenso in der Eigenverantwortung der Parteien, sich auf den Prozess einzulassen. Mediand:innen werden im Prozess der Mediation als Expert:innen für ihre jeweilige Lebensrealität angesehen. Das bedeutet, dass nur die jeweilige Person wissen kann, was für sie stimmig ist.

Wann bietet sich Mediation bei Diskriminierungsvorfällen an?

Das Verfahren ist geeignet, wenn Menschen miteinander in den Dialog treten wollen. Wenn die Bereitschaft gegeben ist, die eigenen Erfahrungen und Sichtweisen mit der anderen Person zu teilen und zuzuhören. Im Verfahren der Mediation geht es um das gegenseitige Verständnis von Lebensrealitäten, die Anerkennung von Erfahrungen und je nach Bedürfnis auch um Entschuldigungen.

Das Verfahren bietet sich im Umkehrschluss nicht an, wenn bei einer der Parteien ein Wunsch nach Rache besteht oder keine Bereitschaft gegeben ist, die andere Perspektive zu hören. Ebenfalls sollten Sie ein anderes Verfahren als Mediation in Erwägung ziehen, wenn die Person mit Diskriminierungserfahrungen ein Bedürfnis nach Bestärkung und Beistand hat. Mediator:innen sind zu jedem Zeitpunkt ihrer Allparteilichkeit verpflichtet, weshalb das Verfahren in diesen Fällen nicht das richtige wäre. Dafür können Sie Alternativen wie Prozessbegleitungen finden.

Was sollten Sie für eine Mediation bei Diskriminierungsvorfällen beachten?

Es macht Sinn, bei der Suche nach Mediator:innen auf die Titel zertifizierte:r Mediator:in (§5 Abs.2 Mediationsgesetz) oder lizenzierte:r Mediator:in zu achten, da diese mit Qualitätsstandards verbunden sind und somit eine Qualifikation der Mediator:innen garantiert ist.

Neben den bereits beschriebenen ggf. bestehenden Machtasymmetrien kommt noch ein Machtgefälle aufgrund der Diskriminierungsvorfälle hinzu. Im Verfahren zu partizipieren, kann für die betroffene Person eine sehr hohe Belastung darstellen. Achten Sie deshalb darauf, dass Sie sich Mediator:innen suchen, die diskriminierungssensibel und machtkritisch arbeiten. Den Raum der Mediation bei Diskriminierungsvorfällen zu öffnen, zu halten und zu strukturieren, kann eine Herausforderung darstellen. Suchen Sie sich Mediator:innen, die sich bestenfalls darauf spezialisiert haben bzw. ausreichend Arbeitserfahrung nachweisen können.

Achten Sie auf die Repräsentation der Mediand:innen durch die Mediator:innen. Wer sind die Mediand:innen und wer soll die Mediation durchführen? Stellen Sie sich Fragen wie: „Welche Privilegien genießt die Person?“ und „Welche Diskriminierungserfahrungen macht die Person, die den Raum öffnet?“. Lassen Sie Mediand:innen entscheiden, bei wem sie die Mediation in Anspruch nehmen wollen. Beispielsweise kann es sich bei der Teilnahme einer queeren Person als Mediand:in anbieten, auch eine:n queere:n Mediator:in zu suchen.

Konkrete Tipps für die Suche nach Mediator:innen

Wenn wir über Antidiskriminierung sprechen, haben wir mit einem fortlaufenden Diskurs und oftmals sehr unterschiedlichen Sensibilisierungsgraden und Wissensständen zu tun. Schauen Sie deshalb, dass Sie sich Mediator:innen suchen, die sich explizit dazu weitergebildet haben und das nicht erst seit gestern. Warum? Wenn Mediator:innen nicht verstehen, was die Partei mit Diskriminierungserfahrungen schildert, wie sollen sie dann in der Lage sein, dies der anderen Partei zu vermitteln? 

Schlagwörter, auf die Sie bei Ihrer Suche nach Mediator:innen für Diskriminierungsvorfälle achten sollten, sind:

  • diskriminierungssensible bzw.-kritische Arbeitsweise
  • machtkritische Arbeitsweise
  • zertifizierte:r Mediator:in oder lizenzierte:r Mediator:in
  • Berufserfahrung der Person in Hinblick auf Mediation (bei Diskriminierungsvorfällen)
  • Weiterbildung in Hinblick auf Antidiskriminierung oder bisherige Antidiskriminierungsarbeit

Machen Sie sich die Mühe einer gründlichen Recherche, denn wenn der Zug abgefahren ist, sind meistens erstmal so schnell keine weiteren Züge in Sichtweite… Das Motto ist demnach: Better safe than sorry.

Literatur

Mediationsgesetz