In die Zukunft gedacht: Familienfreundliche Arbeitsräume

Kinder am Arbeitsplatz – was bislang meist nur als Ausnahme für Notfälle in Frage kommt, könnte in Zukunft vielleicht ganz selbstverständlich werden. Architekturpsychologin Sandra Gauer wirft einen Blick in diese mögliche Zukunft und schildert, wie familienfreundliche Arbeitsräume aussehen könnten.

Zu Hause neben der Hausarbeit und Freizeit arbeiten? Neben beruflicher Arbeit auch noch privater Stress? E-Mails während der Pause beim Fußballspiel bearbeiten? Oder beim Joggen mit dem Kunden oder dem Chef kommunizieren? Im Restaurant die Power Point-Präsentation für den nächsten Tag überprüfen? Im Auto auf Kundenfragen oder Themen von Mitarbeitenden per Sprachnachricht antworten? Und dabei habe ich noch gar nicht über unsere Kinder gesprochen – kennen Sie das? Ich schon.

Es lebe die allumfassende Flexibilität

Work-Life-Blending – nach dem Motto: Gearbeitet wird überall, nur nicht am eigenen Schreibtisch im Büro. Studien haben mittlerweile jedoch gezeigt, dass das Modell auch mit Vorsicht zu genießen ist und für viele zum massiven Stressfaktor wird. Es wird Zeit, um die Ecke zu denken und das Naheliegende zu betrachten. Und genau da möchte ich in diesem Artikel ansetzen. Es wird viel über Arbeitszeitmodelle sowie die Vereinbarkeit von Job und Familie geschrieben. Ich möchte mich nicht in diese lange Liste an Artikeln einreihen, sondern einen anderen Blickwinkel einnehmen und mich als Architekturpsychologin dem Raum zuwenden.

Der Raum als Pädagoge

Wenig wurde aus den Erfahrungen und Erkenntnissen der Vergangenheit gelernt. Dabei ist das Thema Raumgestaltung und Wirkung von Räumen schon immer ein Thema in der Pädagogik gewesen. Bei vielen pädagogischen Klassikern existieren umfassende und wohldurchdachte Beschreibungen zu Räumen, ihrer Ausgestaltung und Möblierung sowie ihrer pädagogischen Wirkung auf Kinder.

Wie erleben wir Raum und wie kann der Raum helfen, uns weiterzuentwickeln und Future Skills aufzubauen? Diesen Ansatz verfolgen wir in einem Forschungsprojekt mit der Universität Bern. Hier geht es um sinnvolle Raumgestaltung, die Lernen ermöglicht. Bürostrukturen, die wir Erwachsene entwickeln und umsetzen, können ebenfalls als Orientierung bei der Raumkonzipierung für Kinder und Jugendliche dienen.

Unabhängig vom Alter können wir Empfinden und Konzentration stark durch Umgebungswechsel beeinflussen und aktiv zum Wohlbefinden beitragen. Durch gezielte architekturpsychologische Planung im Vorfeld eines neuen Arbeitsweltenprojekts kann das subjektive Raumempfinden maßgeblich beeinflusst werden.

Das Kind und der Jugendliche als aktive Explorer im unternehmerischen Umfeld

Was wäre, wenn wir Kinderbedürfnisse aktiv in unsere familienfreundlichen Arbeitsstätten einbezögen? Nicht „nur“ eine betriebsinterne Kita anböten, sondern verschiedene Raum-Möglichkeiten und Raum-Zonen je nach Altersgruppen, Bedürfnissen und Persönlichkeiten? Wenn wir Familien ermöglichten ihre Kinder ungeniert mit ins Büro zu nehmen, weil sie wissen, dass es Räume gibt, die nicht nur dafür da sind, Kinder zu beaufsichtigen, sondern aktiv zum Wohl der Kinder beitragen?

Ab einem gewissen Alter brauchen Kinder keine aktive Betreuung rund um die Uhr, sie können sich auch allein beschäftigen. Und das kann man im unternehmerischen Umfeld wunderbar miteinbeziehen. Ganz bewusst spezielle Räume oder Zonen schaffen, in denen Kinder zum Beispiel besonders gut Hausaufgaben machen können. Diese Räume fördern durch ihre architekturpsychologische Beschaffenheit mit Farben, Formen, Duft und Erleben ganz gezielt die Konzentration. Oder ein anderes Beispiel: Wenn Kinder erschöpft und müde sind, sollten sie die Möglichkeit zu haben, sich in einen Raum zurückzuziehen, der entspannend und beruhigend wirkt, der ihnen hilft den Stresslevel zu reduzieren.

Ein weiteres Beispiel sind Räume, die das aktive Miteinander, den Austausch und Spaß fördern. Kinder sind aktive Entdecker und es wäre für Mensch und Unternehmen eine große Bereicherung, wenn sie dies auch in verschiedenen Zonen im Unternehmen sein könnten. Wenn wir sie in ihrem Raum-Erleben unterstützen und nicht nur in einer Zone betreuen. Der Raum wirkt permanent auf uns, wir können dieses Wissen aktiv nutzen. Den Mut haben, Kinder aktiv in die Unternehmensraumwelt zu integrieren. Ihnen zeigen, dass sie Mama und Papa besuchen können, in der Nähe sein können und doch ihre eigenen Sachen machen dürfen, die sie gerade in dem Moment brauchen.

Das kann durchaus auf verschiedenen Stockwerken stattfinden, ich fände es sogar förderlich, wenn diese "Kinder-Raum-Explorer"-Zonen näher bei den Arbeitsstätten sind und nicht abgeschottet. Generationsübergreifend zu denken und ein Miteinander zu fördern. Auch der Raum kann seinen Beitrag dazu leisten.

Arbeitgebende von morgen bieten Raum zur Entfaltung

Und wie kann man das besser testen, probieren und aktiv leben als mit unseren Kindern? Sie sind ehrlich, klar und voller Tatendrang. Sie haben den Mut, Feedback zu geben, und lassen uns durch die Nutzung der Räume und Zonen sofort erkennen, ob diese funktionieren oder nicht. Somit können wir die Zonen, welche wir für unsere Kinder schaffen, auch teilweise für uns nutzen und vielleicht sogar daraus lernen und für uns weiterentwickeln. Und, wer weiß, vielleicht sind mit diesen Kindern bereits die Fachkräfte von morgen in Ihrem Unternehmen. Wir wissen ja, nichts bleibt so sehr in Erinnerung wie prägende Erlebnisse in der Kindheit.

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