Krisen: Wie Führungskräfte mit Mitarbeitenden kommunizieren sollten

Verschiedene Krisen prägen seit Jahren unseren Alltag. Das wirkt sich auch auf den Arbeitsplatz aus. Manuela Herrlein und Alena Schaeberle von der Münchener Unternehmensberatung Alpine One erläutern, wie Führungskräfte in Krisenzeiten am besten mit ihren Mitarbeitenden kommunizieren können.

Seit Jahren schlittern wir von einer Krise in die nächste. Klima, Corona, Krieg, Inflation, dazu noch Lebenskrisen und persönliche Schicksale. Das Gefühl der Instabilität und Unsicherheit ist real und nachhaltig. Das Bedürfnis nach psychologischer Sicherheit wird immer lauter, auch und insbesondere am Arbeitsplatz. In vielen Gesprächen mit unseren Klient:innen stellen wir fest, dass dies für alle, unabhängig von der Hierarchieebene zutrifft. Insbesondere Führungskräfte fühlen sich oft allein gelassen bei akuten Krisen und wissen nicht, wie und ob sie überhaupt mit ihren Mitarbeitenden kommunizieren sollen.

Die unternehmensübergreifende Kommunikation fokussiert sich auf den Umgang des Unternehmens mit der Krise meist technisch. Zum Erreichen der Mitarbeitenden reicht dies nicht aus. Hybrides Arbeiten ist in vielen Industrien das new normal. Ängste, Sorgen und Befürchtungen können aber in rein virtuellen Beziehungen nicht adäquat aufgefangen werden. Der Wunsch und das Bedürfnis der Mitarbeitenden nach Antworten und Austausch, welche vor der Coronakrise oft im Kolleg:innenkreis gefunden wurden, nehmen extrem zu.

Unsicherheiten gefährden die mentale Gesundheit aller. Die psychologische Resilienz kann aber durch einen sorgfältigen Umgang gestärkt werden. Eine Verbesserung der psychologischen Resilienz um nur 5 % reduziert das Risiko von mentalen Erkrankungen um 10-15 % (IPSOS Studie, 2021).

Ist es Aufgabe eines Unternehmens, der Führungskräfte, sich um ihre Mitarbeitenden auf dieser Ebene zu kümmern? Wir sagen ja. Es geht dabei nicht darum, die Führungsebene zu Coach:innen oder Psychotherapeut:innen zu entwickeln. Hierzu gibt es in vielen Unternehmen Profis oder sie können extern hinzugezogen werden.

Grundsätzlich kann und sollte jede Führungskraft zu Beginn einer Krise sofort aktiv werden:

  • Kontakt mit allen aufnehmen, egal ob on- oder off-site. Insbesondere mit Alleinlebenden.
  • Die zwischenmenschliche Mauer abbauen, zum Beispiel die Kamera im VideoCall einschalten.
  • Zu fragen: „Wie fühlst du dich?” statt „Wie geht es dir?”
  • Angebote zum Dialog, auch bilateral, anbieten.
  • Kein Beschönigen, sondern realistisch, ohne eigene Spekulation und Interpretation kommunizieren.
  • Routine im Team zum Austausch und (virtuelle) Berührungspunkte schaffen.

Führungskräfte sind keine Superheld:innen und ebenfalls von Unsicherheiten und Ängsten belegt. Die Arbeitslast ist durchgehend hoch. Zeit für wirkliche, qualitative Führung, für Gespräche abseits der Fachlichkeit besteht kaum. Als Orientierungshilfe für ein solches Gespräch kann dabei das dem Alpine One-Krisenguide entnommene, 6-stufige Vorgehen dienen.

Die Abbildung zeigt 6 Schritte, die Führungskräften zur Gesprächsvorbereitung dienen können.

Sechs Schritte für einen wirkungsvollen Austausch bei Unsicherheit/Krisen (Abbildung: Alpine One GmbH)

Sehr wichtig ist im ersten Schritt eine intensive Vorbereitung durch die Führungskraft: Wir empfehlen hier, möglichst viele Informationen zu sammeln, was mögliche Trigger für Ängste von Mitarbeitenden im Team sein könnten. Nur so kann ehrlich Verständnis gezeigt und Vertrauen aufgebaut werden.

Im zweiten Schritt ist es absolut entscheidend, das Gespräch richtig zu eröffnen. Denn wenn der Einstieg schief geht, ist die Atmosphäre von vorneherein gestört. Mitarbeitende werden sich dann nicht ermutigt fühlen, sich zu öffnen und Ängste zu kommunizieren. Ein anonymer Konferenzraum eignet sich beispielsweise nicht für einen offenen Dialog – genauso wenig wie eine Konstellation „Chef:in hinter dem, Mitarbeitende vor dem Schreibtisch“. Nutzen Sie dafür beispielsweise ein Gespräch an einem kleinen runden Besprechungstisch – oder im Falle einer größeren Gruppe einen Stuhlkreis. Jede:r sollte sich sicher fühlen, frei und ehrlich über eigene Bedenken zu sprechen.

Im dritten Schritt sollte es darum gehen, die Anliegen und Bedürfnisse jedes und jeder Einzelnen erst einmal auf den Tisch zu legen. Das heißt: Zuhören ist angesagt.

Danach ist die Empathie der Führungskraft gefragt. Die Mitarbeitenden fühlen sich wertgeschätzt, wenn man ihre Stärken, positiven Qualitäten und vorhandene Ressourcen zur Überwindung der Krise hervorhebt. Während dieses gesamten Kommunikationsprozesses muss die Objektivität der Führungskraft gewahrt werden, das heißt, die Gefühlslage und Aussagen der Mitarbeitenden zur Krise dürfen nicht bewertet werden.

Der fünfte Schritt ist notwendig, wenn Sie als Führungskraft das Gefühl haben, dass einzelne Mitarbeitende weitergehende psychologische Unterstützung benötigen, die über den eigenen Verantwortungsbereich hinausgeht. Dann sollten entsprechende Zugänge geschaffen werden, beispielsweise über den betriebsärztlichen Dienst.

Im sechsten und letzten Schritt wird der Dialog abgeschlossen. Hier ist es – wie in jedem Meeting – unbedingt notwendig, klar zu sagen, wie es weitergehen soll. Gibt es eine weitere Besprechung? Welche Möglichkeiten der Betreuung gibt es im Unternehmen? Was kann man als Team gemeinsam konkret tun, um die Resilienz zu erhöhen?

Es ist wichtig, eine Balance zwischen der Informationsflut und notwendigen Informationen zu finden, weder Panik bei den Mitarbeitenden zu verbreiten noch Tatsachen unter den Tisch zu kehren. Dies gelingt Führungskräften, indem sie sich an Fakten halten.

Führungskräfte und Personalabteilungen sind gut beraten, solche Dialogrunden nicht erst in einer akuten Krise anzubieten, sondern kontinuierlich. Denn auch in „normalen“ Zeiten gibt es in Teams oder bei einzelnen Mitarbeitenden Stresssituationen, über die offen gesprochen und für die tragfähige Lösungen erarbeitet werden sollten.

Die Schlüsselfähigkeit ist dabei immer Empathie. Es ist wichtig zu verstehen, warum Menschen unterschiedlich reagieren. Im Kommunikationsprozess müssen die unterschiedlichen Persönlichkeiten der Mitarbeitenden respektiert werden. Auch stellen wir einen unterschiedlichen Umgang mit Krisen, abhängig zum Beispiel vom kulturellen Background, fest. Hier können beispielsweise interkulturelle Schulungen die eigene Kompetenz und auch Sicherheit in der Krisenkommunikation erhöhen.

 

Literatur

IPSOS Studie (2021). Sorge um psychische Gesundheit steigt seit Corona. Online abrufbar unter: https://www.ipsos.com/de-de/sorge-um-psychische-gesundheit-steigt-seit-corona

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