Tiefe Emotionsarbeit entspannt

Friedemann Nerdinger, Wirtschaftspsychologe an der Universität Rostock, hat in der Zeitschrift Report Psychologie Forschungsergebnisse zur Emotionsarbeit zusammengetragen. Wenn Kundenberater*innen ständig lächeln sollen, kann das langfristig zur Erschöpfung führen. Es gibt aber auch eine konstruktive Emotionsarbeit: Tiefenhandeln. Dabei wird versucht, negative Gefühle abzubauen, sodass Erleben und Verhalten wieder im Einklang stehen.

Friedemann Nerdinger, Wirtschaftspsychologe an der Universität Rostock, hat in der Zeitschrift Report Psychologie Forschungsergebnisse zur Emotionsarbeit zusammengetragen. Wenn Kundenberater*innen ständig lächeln sollen, kann das langfristig zur Erschöpfung führen. Es gibt aber auch eine konstruktive Emotionsarbeit: Tiefenhandeln. Dabei wird versucht, negative Gefühle abzubauen, sodass Erleben und Verhalten wieder im Einklang stehen.

 

Emotionsarbeit für die Kundenbeziehung

Ein Merkmal von Dienstleistungen ist, dass diese nur im Kontakt mit Kund*innen möglich sind. Sie verlangen damit vom Dienstleistenden besondere Fähigkeiten zur Gestaltung der Beziehung. Positive Gefühle spielen dabei eine zentrale Rolle. Die Dienstleistenden sind angehalten, gut gelaunt zu wirken, egal ob sie es innerlich sind oder nicht.

Dieser nach bestimmten Regeln produzierte Gefühlsausdruck im Tausch für Lohn macht die sogenannte Emotionsarbeit von Servicemitarbeitenden aus. Verkäufer*innen, Callcentermitarbeiter*innen, Krankenpfleger*innen – sie alle kennen den Druck, ungeachtet der anstrengenden Arbeit möglichst zu lächeln und Optimismus zu verbreiten.

Emotionsarbeit an der Oberfläche und in der Tiefe

Friedemann Nerdinger arbeitet heraus, dass es zwei Arten von Emotionsarbeit gibt: Oberflächenhandeln und Tiefenhandeln. Beim Oberflächenhandeln ist die Person bestrebt, nur die gezeigten Gefühle zu verbessern. Die erlebten negativen Gefühle wie Ärger, Enttäuschung oder Langeweile bleiben. Dieser Unterschied zwischen Erleben und Verhalten führt zu emotionaler Dissonanz, die die Mitarbeitenden oft zusätzlich belastet.

Beim Tiefenhandeln versucht die Person, negative Gefühle in positive umzuwandeln und diese zu zeigen. Erleben und Verhalten stimmen dann überein. Folgende Techniken fürs Tiefenhandeln wurden beschrieben:

  • Aufmerksamkeitsfokussierung: Man denkt gezielt an angenehme Erlebnisse oder Situationen. Damit sollen positive Gefühle wie Freude, Entspannung oder Hoffnung hervorgerufen werden. So können sich Flugbegleiter*innen anstrengende Fluggäste als ängstliche Kinder vorstellen, die ihres Mitgefühls bedürfen – und sie werden ruhiger und entspannter.
  • Kognitive Umdeutung: Hierbei soll man anstrengende Situationen möglichst positiv sehen. Kommt es zu einem unangenehmen Wortwechsel zwischen Kund*in und Berater*in, kann letztere*r die Ursache darin sehen, dass der/die Kund*in gestresst ist und es nicht sein/ihr Fehler war. Das entlastet und macht offen für Lösungsmöglichkeiten.
  • Entspannung: Schließlich helfen entspannende Gedanken, die man vom Autogenen Training, von der Progressiven Muskelrelaxation oder der Meditation her kennt: „Ich atme mit dem Bauch und achte darauf, wie sich meine Bauchdecke hebt und senkt.“ oder „Meine Hände werden ganz warm.“ Entspannung und Angst sind körperlich unvereinbar und wenn man durch diese Gedanken entspannt, verringern sich auch die negative Gefühle.

Oberflächenhandeln erschöpft, Tiefenhandeln entspannt

Friedemann Nerdinger trägt schließlich Forschungsergebnisse zu Oberflächen- und Tiefenhandeln zusammen. Oberflächenhandeln löst emotionale Dissonanz aus. Diese wiederum hat weitreichende negative Folgen:

  • Mitarbeitende fühlen sich erschöpft und ausgelaugt
  • sie sind gesundheitlich beeinträchtigt und fühlen sich selbst nicht mehr leistungsfähig
  • sie zeigen Rückzugsverhalten: nehmen längere Pausen, beschäftigen sich mit privaten Dingen, sind weniger engagiert
  • sie sind unzufrieden mit ihrer Arbeit
  • langfristig kann daraus ein Teufelskreis mit Burnout entstehen

Mit Tiefenhandeln können diese unangenehmen Folgen vermieden werden:

  • Mitarbeitende können damit die Dissonanz zwischen erlebten und gezeigten Gefühlen abbauen
  • sie fühlen sich dadurch leistungsfähiger
  • die Kund*innen sind zufriedener

Fazit: mehr Tiefenhandeln

Emotionsarbeit ist also nur dann bedenklich, wenn Dienstleistende die negativen Gefühle mit vorgespielter guter Laune kaschieren wollen. Besser ist es, in die Tiefe zu gehen und Angst oder Ärger durch positive Gedanken abzubauen.

Für Personaler*innen im Dienstleistungsbereich hat der Autor schließlich noch den Tipp, Emotionsarbeit bei Personalauswahl und -entwicklung unbedingt zu berücksichtigen. Bewerber*innen sollten zu ihrer Einstellung hinsichtlich der Emotionsarbeit befragt werden. Mitarbeitende sollten in Trainings die Techniken der Gefühlsarbeit lernen.

Literatur

Friedemann W. Nerdinger (2012). Emotionsarbeit im Dienstleistungsbereich. Report Psychologie, 37, 8-18.

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