Natur-Coaching für Teams

Schon allein die Vorstellung, gemeinsam mit Kolleg*innen an die frische Luft zu gehen, ruft bei vielen Assoziationen von Entspannung, aktiver Erholung, Leichtigkeit und Freude hervor. Warum es eine gute Option ist, nicht nur für einen Ausflug sondern auch für Team-Coachings in die Natur zu gehen und wie es funktioniert, beschreibt der langjährige Business-Coach, Lehrtrainer für Natur-Coaching und Buchautor Carsten Gans. 

Was bedeutet Coaching in der Natur?

Wenn wir mit Teammitgliedern für ein Coaching nach draußen gehen, dürfen wir uns einen Ablauf vorstellen, der im Kern dem in Räumen ähnelt. Auch hierbei werden zunächst Probleme oder Konflikte aus der Zusammenarbeit beschrieben, Baustellen benannt und bei einer Auftragsklärung vereinbart, was erreicht werden soll, am Ende des Coachingtages und längerfristig. Und um Lösungen zu entwickeln, wird das Team vom Coach durch passende Interventionen geführt, einschließlich des Transfers auf die Arbeitswirklichkeit. 

Die größten Unterschiede zur Arbeit in vier Wänden werden zunächst im stark veränderten räumlichen Rahmen mit all seinen Vorteilen sichtbar, in den wir als Natur-Coach einladen. So sorgt schon allein der Aufenthalt in der Natur automatisch für mehr Entspannung und Offenheit, zudem senken sich Cortisol-Spiegel und Blutdruck. Die Bewegung in der Natur erhöht zudem die Fähigkeit zur gerichteten Aufmerksamkeit und in Tests wurde nachgewiesen, dass draußen die Kreativität in Form von neuen Ideen um 60% zunimmt im Vergleich zu drinnen. 

Zeitrahmen für ein Natur-Coaching mit Teams

Für ein Teamcoaching an der frischen Luft wird meist ein ganzer Tag vereinbart. Auch für eventuelle Fortsetzungen und Update-Coachings nach einem halben oder ganzen Jahr sind meist 6 bis 8 Stunden hilfreich und ausreichend. 

Zu Beginn einen guten Übergang und Achtsamkeit fördern

Wenn wir uns nach einer gut abgestimmten Planung und Vorbereitung,
z. B. mit Hilfe von Vorgesprächen und Checklisten, mit einem Team in der Natur - am liebsten an einem Waldrand - treffen, sorg
en wir zunächst für ein gutes An- und Hineinkommen in den für die meisten neuen Arbeitsraum Natur: Ein kleiner Smalltalk im Gehen fördert einen persönlichen Austausch zu Beginn, bevor wir mit der ersten Übung einen guten Übergang vom stressigen und technisierten Alltag in die Natur ermöglichen. Beim sogenannten „Stummen Übergang“ gehen die Teilnehmenden für einige Zeit schweigend in den Wald hinein. So kann jeder zunächst Gedanken und Gefühle, die nicht benötigt werden und eher stören würden, draußen lassen, bevor wir uns beruhigen sowie achtsam und neugierig werden.
 

Bei der folgenden Sinnes- und Achtsamkeitsübung „Mönchsgang“ laden wir unsere Teilnehmenden dazu ein, sich beim intuitiven Schlendern auf Wegen und zwischen Bäumen jeweils auf einen Sinn zu konzentrieren. Nacheinander sind wir neugierig mit den Augen, hören wir genau hin, riechen und schmecken Bekanntes. Zum Abschluss der Übung befühlen wir Baumstämme, Moos, Tannenzapfen etc. und bemerken, was wir innerlich spüren, wie es uns nun geht, wie wir uns fühlen. Beim Zusammenkommen im Kreis haben die Teilnehmenden nach jeder Runde die Möglichkeit, besonders schöne oder interessante Wahrnehmungen zu teilen. 

Neues Kennenlernen im Gehen

Wenn sich die Teammitglieder noch nicht so gut kennen, schließen wir eine Kennenlernübung an, bei der sich jeweils zwei Personen mit Hilfe von drei Fragen bei einem kleinen Spaziergang interviewen: „Wer bist Du?“, „Was kannst Du gut?“ und „Was willst Du mal?“. Im großen Kreis stellt dann jede*r seine*ihre Kolleg*in mit Hilfe der erhaltenen Antworten vor. So lernen sich alle auf eine neue und persönliche Art und Weise kennen - häufig verbunden mit neu erkannten Gemeinsamkeiten. So äußerten z. B. einmal zwei Kolleginnen unabhängig voneinander, dass sie gerne den Jakobsweg gehen würden und noch jemanden dafür suchten – und sich in diesem Moment wunderbar fanden. Im Führungsteam eines großen Hotels haben nacheinander fünf Mitglieder von ihrer, bis dahin nicht mitgeteilten Leidenschaft für das klassische Musizieren erzählt, was zur Gründung eines Hausmusikkreises führte. 

Auf diese Weise sind alle gut vorbereitet, um entspannt, offen, achtsam und mit Freude sich selbst und die Kolleg*innen wahrzunehmen und sich von der großen Vielfalt der Natur als Ideengeberin inspirieren zu lassen.

Teammitglieder haben beim gemeinsamen Waldspaziergang die Chance sich besser kennen zu lernen und Gemeinsamkeiten zu finden. (Foto: PNW Production/Pexels.com)

Wertschätzen, Teambaustellen sammeln und beschreiben

In der nächsten Phase geht es darum, zunächst wertzuschätzen, was bereits gut läuft und was als angenehm und effektiv in der Zusammenarbeit wahrgenommen wird. Bei der folgenden Baustellensammlung äußern die Teammitglieder offen und ehrlich, was sie aktuell im Team als unangenehm oder schwierig empfinden und warum genau. Als Natur-Coach moderieren wir den konstruktiven Austausch zu den eingebrachten Themen. Zu Beginn stimmen wir die Teilnehmenden durch gute Beispiele von Rückmeldungen ein, z. B. mit Hilfe der „3 Ws“ (Wahrnehmung, Wirkung und Wunsch), um hilfreiche kritische Äußerungen und die Annehmbarkeit derselben zu fördern. Der Abschnitt endet damit, dass sich alle auf ca. drei Baustellen einigen, die am heutigen Tag im Mittelpunkt stehen sollen. Alles, was während des Coachings im Konsens für wichtig gehalten wird, wird im eigens dafür überreichten Teambuch festgehalten, um später darauf zurückzugreifen. 

Im Konsens die Richtung bestimmen bei der Kontraktklärung

Zu den benannten und gewählten Baustellen werden nun Ziele formuliert, die erreicht werden sollen und vor allem Zwischenziele als „gute Ergebnisse“ für den heutigen Tag. Diese dienen im weiteren Coachingprozess als Auftrag und roter Faden für das Erleben der Interventionen und den anschließenden Transfer auf die Arbeitswirklichkeit des Teams. 

Interventionen aktiv erleben für Klarheit und Greifbarkeit

Passend zu den formulierten Baustellen wählen wir dann als Natur-Coach passende Interventionen, die es den Teammitgliedern ermöglichen, eine größere Klarheit über schwierige Vorgänge oder Beziehungen, eventuelle Zusammenhänge, Auslöser oder Folgen zu bekommen und um neue Lösungsideen einzubringen und auszutauschen. 

Hierfür steht eine erprobte Auswahl an systemischen, erlebnisorientierten und mehr oder weniger herausfordernden Interventionen zur Verfügung, die aus bekannten Konzepten für die Arbeit an der frischen Luft übersetzt oder neu entwickelt wurden. Z. B.: Open Walk – eigene Weiterentwicklung der Open Space-Methode (Groß-Gruppen-Methode) nach draußen – und Team-Bogenschießen oder Team-Aufstellungen. 

Während und gegen Ende jeder Intervention werden die vor Ort gewonnenen Erkenntnisse auf die Arbeitssituation übertragen und konkrete Schritte der Umsetzung in Richtung Zielerreichung entwickelt und vereinbart. 

Alle Ideen, Ergebnisse und Maßnahmen werden im Teambuch notiert und können zusätzlich verstärkend auf einer Teamfahne kreativ festgehalten und als Erinnerungshelfer mitgenommen werden. 

Wertschätzen des gemeinsam Erlebten und Erreichten

Zum Abschluss des Coachingtages haben alle die Möglichkeit, ihre Wahrnehmungen des Tages in die große Runde einzubringen, z. B. was heute besonders eindrücklich war. Hierbei wird häufig nicht nur teambezogenes geäußert, sondern auch, was individuell an Eindrücken und Übungen für persönliches Wohlbefinden und Ausgleich außerhalb der Arbeit mitgenommen wird. 

Was benötigt man, um Natur-Coach zu werden und worauf sollte man bei der Auswahl eines Natur-Coaches achten?

Es gibt mittlerweile in Deutschland eine feine Auswahl an fundierten Fort- und Weiterbildungen, um Natur-Coaching mit Einzelpersonen, Paaren oder/und offenen Gruppen zu erlernen. Für die Coachingarbeit mit Teams gibt es zurzeit noch wenige Möglichkeiten. Als Eingangsvoraussetzung benötigt man eine Coaching- oder Therapeut*innenausbildung, um dann Natur-Coaching mit Teams zu erlernen, einschließlich der Einführung in das neue Arbeitskonzept.  

Bei der Auswahl eines Anbieters für Team-Natur-Coaching sollte darauf geachtet werden, dass tatsächlich auch Coaching angeboten wird und nicht nur umbenannte Outdoor-Trainings.  

Zum Weiterlesen

[Werbung] Gans, C., Dienemann, K., Hume, A. & Lorino, A. (2020). Arbeitsraum Natur – Handbuch für Coaches, Therapeuten, Trainer und Organisationen. Wiesbaden: Springer Nature.