Implicit Biases mindern Chancengleichheit bei Personalauswahl

Implicit Biases ─ nicht notwendigerweise bewusste, kognitive Verzerrungen ─ sind Teil unseres Alltags. Sie beziehen sich auf Merkmale menschlicher Vielfalt wie Geschlecht, Gewicht, Alter oder ethnische Herkunft und beeinflussen unser Verhalten. Auch bei Personalentscheidungen spielen sie eine Rolle – häufig zum Nachteil bestimmter Personengruppen. Dr. Jessica Röhner und Prof. Dr. Astrid Schütz zeigen Wege auf, um den Einfluss von Implicit Biases auf Personalurteile zu minimieren.

Was sind "Implicit Biases"?

Der Begriff Implicit Biases wird in der Diskussion um Chancengleichheit viel diskutiert (manchmal wird auch von Automatic Biases oder von Unconscious Biases gesprochen – allerdings sind die Verzerrungen nicht zwingend automatisch oder unbewusst). Unter einem Bias versteht man eine kognitive Verzerrung oder Befangenheit, die Wahrnehmung und Verhalten beeinflusst. Ein Implicit Bias liegt vor, wenn Wahrnehmung durch nicht notwendigerweise bewusstes Kategoriendenken beeinflusst wird, also bestimmte Einschätzungen von oder Reaktionen gegenüber einer Gruppe (z. B. hellhäutigen Menschen), wahrscheinlicher sind als gegenüber einer anderen Gruppe (z. B. dunkelhäutigen Menschen). Zum Beispiel würde dann die Konfrontation mit dem Foto einer Person mit schwarzer Hautfarbe negative Assoziationen in stärkerem Maße aktivieren als positive. Beim Foto einer Person mit weißer Hautfarbe wäre es umgekehrt. Diese Assoziationen wiederum können dann entsprechende diskriminierende Verhaltenstendenzen hervorrufen. Implicit Biases werden als eine der wichtigsten Gründe für das Weiterbestehen von Diskriminierung (z. B. Devine, 1989) gesehen. So konnte gezeigt werden, dass der Implicit Racial Bias mit Diskriminierung im Einstellungskontext verbunden ist (z. B. Rooth, 2010).

Wie wirken sich Implicit Biases bei der Personalauswahl aus?

Eine Meta-Analyse über 28 Studien mit insgesamt 55.842 Personen (Quillian et al., 2017) zeigt, dass in fiktiven Bewerbungsverfahren die Einladungschance von kultureller bzw. ethnischer Zugehörigkeit von Namen, bei sonst identischer Bewerbung, abhängt. Ergebnisse einer Studie von Weichselbaumer (2016) zeigen, dass Frauen, die auf ihrem Bewerbungsfoto ein Kopftuch tragen, deutlich schlechtere Chancen haben, zum Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden, als Frauen ohne Kopftuch. Auch wurden negative Effekte von Elternschaft festgestellt – allerdings nur bei Frauen (Hipp, 2020). Implicit Biases gegenüber Frauen (z. B. Moss-Racusin et al., 2012), adipösen (z. B. Agerström & Rooth, 2011), behinderten (z. B. McDonnall & Antonelli, 2018) oder ältere Personen (z. B. Kleissner & Jahn, 2020) sind nachweislich mit Benachteiligung bei Einstellungen verbunden.

Junge Frau sitzt beim Bewerbungsgespräch einem Mann und einer Frau gegenüber.

Systematische und intersubjektiv fundierte Entscheidungen können helfen, Implicit Biases im Personalauswahlprozess zu reduzieren (Foto: Edmond Dantès – Pexels.com)

Wie können Implicit Biases überwunden werden?

1) „Neuprogrammierung“ von Assoziationen

In mehreren Meta-Analysen wurde untersucht, inwieweit sich Implicit Biases verändern lassen (z. B. Lai et al., 2014; Röhner & Lai, 2020). Die Ergebnisse sind ernüchternd. Zwar lassen sich Implicit Biases durch gezielte Maßnahmen (z. B. Konfrontation mit fiktiven stereotypinkonsistenten Szenarien, bei denen die Testperson auf dem nächtlichen Heimweg von einer Person mit weißer Hautfarbe hinterrücks niedergeschlagen wird und von einer Person mit schwarzer Hautfarbe aus der misslichen Lage gerettet wird) ändern, aber nur kurzfristig. Nach wenigen Tagen sind sie auf altem Niveau (z. B. Lai et al., 2016).

2) Bewusstsein schaffen und über Entscheidungsprozesse reflektieren

Solange es nicht möglich ist, Implicit Biases nachhaltig zu korrigieren, sollten wir uns bewusst machen, dass wir ihnen unterliegen und sie unser Verhalten beeinflussen. Entscheidungen basieren nicht nur auf reflektierten, sondern auch auf automatischen, spontanen Prozessen (z. B. Strack & Deutsch, 2004). Reflektierte Prozesse, wie bewusstes Abwägen und Einschätzen auf vorab definierten Kriterien, erfordern Zeit und kognitive Ressourcen. Fehlen diese, dominieren automatische Prozesse (z.B. Sympathieeffekte) unsere Entscheidungen (siehe Röhner & Schütz, 2020). Eine Möglichkeit des Selbsttests bietet das Projekt Implicit. Der im Projekt genutzte Implizite Assoziationstest (IAT; Greenwald et al., 1998; Röhner & Schütz, 2019) gilt als das geeignetste Messinstrument, um implizite Verzerrungen zu erfassen (z. B. Bar-Anan & Nosek, 2014; Rudolph et al., 2008). Auf Basis von Kritik wird er kontinuierlich weiterentwickelt (z. B. Mierke & Klauer, 2003; Röhner & Ewers, 2016).

3) Systematisierung und Objektivierung von Entscheidungsprozessen

Da schnelle, ressourcensparende, damit jedoch auch potenziell diskriminierende Entscheidungen durch Zeitdruck und begrenzte Kapazitäten begünstigt werden, ist es wichtig Rahmenbedingungen zu schaffen, die reflektierte Entscheidungen im Personalauswahlprozess begünstigen. Dazu gehören Entscheidungsfindungen in angemessenen zeitlichen Rahmen. Essenziell ist auch eine anforderungsanalytisch basierte und systematische Personalauswahl im Sinne der DIN 33430. Relevant sind dabei Auswahlinstrumente, die psychometrischen Anforderungen genügen sowie eine strukturierte und regelgeleitete Durchführung. Diese kann z. B. durch Leitfäden und kriterienbasierte Checklisten sowie durch den Einsatz mehrerer, geschulter Personen zur Beobachtung und intersubjektiven Abstimmung sichergestellt werden (vgl. Schütz et al., 2020).

Eine weitere Maßnahme kann sein, Entscheidungsgremien divers zu besetzen, denn Entscheidungstragende, die sich selbst im Hinblick auf Diversitätsmerkmale (z. B. ethnische Herkunft) unterscheiden, treffen im Vergleich zu solchen, die sich nicht unterscheiden weniger diskriminierende Entscheidungen (z. B. Bowman Williams, 2018), wenngleich auch sie nicht gegen Verzerrung gefeit sind. Auch werden mittlerweile demographische Informationen, wie Alter, Geschlecht, ethnische Herkunft, Familienstand etc. in einer ersten Auswahlphase verblindet bzw. entfernt. Der Effekt solcher Maßnahmen zeigte sich bereits in Versuchen, in denen das Vorspiel für Orchester hinter einem Vorhang stattfand – und mehr Frauen als vorher ausgewählt wurden (Goldin & Rouse, 2000).

Fazit

Wir nehmen unsere Umwelt nicht objektiv wahr, sondern konstruieren sie (vgl. Röhner & Schütz, 2021). Implicit Biases können zu diskriminierenden Entscheidungen führen. Die Schaffung von Bewusstsein, das Reflektieren über und Verändern von Entscheidungsprozessen können helfen, Verzerrungen auf Personalurteile zu reduzieren.

Literaturliste zum Download

Zum Weiterlesen

[Werbung] Schütz, A., Köppe, C. & Andresen, M. (2020). Was Führungskräfte über Psychologie wissen sollten. Bern: Hogrefe.

Kompetenzzentrum für Angewandte Personalpsychologie (KAP)