Checkliste für Entscheidungen ohne Wahrnehmungsverzerrung

Daniel Kahneman, Dan Lovallo und Olivier Sibony haben daher im Harvard Businessmanager eine Checkliste zusammengestellt, wie sich diese Wahrnehmungszerrungen vermeiden lassen. Diese Checkliste umfasst 12 Aktionen. Im Originalbeitrag werden diese Aktionen als Fragen formuliert und mit konkreten Fallbeispielen zu einer Preissenkungs-, Investitions- und Akquisitionsentscheidung illustriert.

Hier sollen die Aktionen in ihrer grundlegenden psychologischen Wirkrichtung kurz angerissen werden. Sie können von einer Führungskraft eingesetzt werden, die eine Entscheidungsvorlage ihres Arbeitsteams bewerten will.

Die Checkliste

1. Überprüfen, ob es Eigeninteressen der Teammitglieder und übertriebenen Optimismus gibt. Hier geht es darum, Selbsttäuschungen aufzudecken, bei der Personen ihren eigenen Wunsch nachträglich rationalisieren.

2. Feststellen, ob sich das Team in den eigenen Vorschlag „verliebt“hat. Hiermit soll die Affektheuristik umgangen werden. Diese besagt, dass man leicht die Risiken dafür unterschätzt, woran man besonders hängt.

3. Die Meinungsvielfalt und besonders abweichende Meinungen im Team ausloten. Normalerweise gibt es immer abweichende Meinungen. Wenn das nicht der Fall ist, könnte das auf Gruppendruck hindeuten oder auf ein kreativitätsfeindliches Klima, das keine intensive Diskussion unterschiedlicher Perspektiven zulässt.

4. Prüfen, ob die Analogien richtig oder falsch sind, mit der die Entscheidung begründet wird. Damit soll der Salienzbias ausgehebelt werden. Er führt dazu, dass man sich häufig an sehr eindrücklichen Ereignissen orientiert („Wir waren mit Produkt X sehr erfolgreich, also müssen wir vor allem dieses weiterentwickeln.“). Diese hervorstechenden Erfahrungen können dazu führen, dass man falsche Vorhersagen trifft.

5. Das Team auffordern, weitere überzeugende Alternativen zu entwickeln. Häufig wird beim Problemlösen nur eine einzige plausible Hypothese aufgestellt. Dann sammelt man nur noch Belege, um sie zu bestätigen. Die Suche nach Alternativen soll weitere Szenarien liefern und auch Informationen, die gegen bestimmte Annahmen sprechen.

6. Überlegen, ob man in einem Jahr noch genauso entscheidenwürde. Damit sollen fehlende Informationen aufgespürt werden, die bei einer intuitiven Entscheidung oft unbewusst unterschlagen werden. Mit der Ein-Jahres-Perspektive rollte man den Fall vom Ergebnis her auf und kommt leichter darauf, welche Informationslücken derzeit noch bestehen.

7. Genau überprüfen, woher die Zahlen stammen, die als Entscheidungsgrundlage dienen. Damit soll der Ankerheuristikentgegengewirkt werden, die besagt, dass eine erste zufällige oder vergangenheitsbasierte (falsche) Zahlenschätzung zum verbindlichen Referenzwert für alle weiteren Schätzungen und damit zum Anker wird. Mit der Zahlenüberprüfung wird herausgefunden, ob es diesen Zahlenanker gibt und ob er zuverlässig ist.

8. Feststellen, ob es einen Halo-Effekt gibt. Ein Halo-Effekt liegt vor, wenn besonders positive Eigenschaften eines Unternehmens alle seine weiteren Aktionen in einem übermäßig günstigen Licht erscheinen lassen. „Wir machen es so, wie es das erfolgreiche Unternehmen X gemacht hat“ – könnte sich damit als Trugschluss erweisen, weil man so dem glänzenden Halo-Lichthof und nicht den konkreten Unternehmenspraktiken folgt.

9. Checken, ob sich das Team zu sehr an früher orientiert. Damit soll dem Irrtum der irreversiblen Kosten (Sunk-Cost Effect) begegnet werden. Der Irrtum besagt, dass man zu sehr an vergangenen Ausgaben hängt und gewillt ist, diese zu bereinigen, obwohl sie bereits unwiderruflich getätigt sind. Das kann dazu führen, dass man besonders in jene Produktsparte investiert, die finanziell angeschlagen ist. Stattdessen sollte man sich fragen, ob die Investition zukünftige Gewinne verspricht.

10. Abwägen, ob das Szenario zu optimistisch ist. Damit soll folgenden Optimismus-Illusionen entgegengewirkt werden: Selbstüberschätzung („Wir schaffen das.“), Planbarkeitsillusion („Wir können alle Hürden vorhersehen und haben alles im Griff.“) und das Ausblenden der Konkurrenz.

11. Ist das Negativszenario schlimm genug (S. 29)? Meistens ist der sogenannte Worst Case nicht schlimm genug. Mit einem Trick kann man aber dafür sorgen, dass er es wird. Man stellt sich vor, dass der schlimmste anzunehmende Fall bereits eingetreten ist und entwickelt eine Geschichte mit den Gründen, die dazu führten. Damit lässt sich ein genauerer Worst Case konstruieren.

12. Einschätzen, ob das Team zu vorsichtig ist. Hiermit wird die Verlustaversion angegangen. Verlustängste blockieren Entscheidungen, die ein gewisses Risiko bergen, aber eigentlich erfolgsversprechend sind.

Literatur

Daniel Kahneman, Dan Lovallo & Olivier Sibony (2011). Checkliste für Entscheider. Harvard Businessmanager, September 2011, 19-31.