Jetzt zugreifen oder lieber warten?

Was, wenn ein besseres Angebot kommt?

Ob Flugtickets, Gebrauchtwagen oder Wohnungssuche – überall stellt sich die Frage: Soll ich jetzt schon zuschlagen oder lieber warten, ob noch ein besseres Angebot kommt? Entscheidungen zu treffen, wenn die Optionen nicht gleichzeitig, sondern nacheinander präsentiert werden, fällt Menschen oft schwer – besonders wenn die Zeit knapp ist und ein einmal abgelehntes Angebot später vielleicht nicht zur Verfügung steht.
„Solche Situationen begegnen uns im Alltag unzählige Male, etwa bei der Parkplatzsuche, beim Hauskauf oder bei der Partnerwahl“, sagt Christiane Baumann vom Psychologischen Institut der Universität Zürich. „Trotzdem ist bisher nicht näher untersucht worden, wie wir uns dabei verhalten.“ Unter der Leitung von Kognitionspsychologin Bettina von Helversen (vormals UZH, jetzt Universität Bremen) und in Zusammenarbeit mit Sam Gershman (Harvard University) hat die Doktorandin verschiedene Experimente zu dieser Frage durchgeführt. Anhand der Resultate konnte sie ein Modell zur Strategie entwickeln, die Menschen bei der Entscheidungsfindung anwenden.

Gibt es eine optimale Vorgehensweise?

Mit Hilfe eines Computers sei es einfach, die bestmögliche Vorgehensweise für Entscheidungen dieser Art zu finden. „Doch das menschliche Hirn ist nicht imstande, die dafür nötigen komplexen Berechnungen auszuführen», so Baumann. «Es liegt deshalb nahe, dass Menschen eine vereinfachte Strategie anwenden.“ Um diesen menschlichen Lösungsansatz auf die Spur zu kommen, führte Baumann mit jeweils 100 bis 200 Versuchspersonen verschiedene Kaufsimulationen durch. In einem Test erhielten die Probanden die Aufgabe, ein möglichst billiges Flugticket zu ergattern – sie bekamen zu diesem Zweck hintereinander zehn im Preis schwankende Angebote, während der fiktive Abflugtermin immer näher rückte. In einem ähnlichen Versuchsansatz galt es, Produkte wie Lebensmittel oder Küchengeräte möglichst günstig zu kaufen. Die wechselnden Preise dafür übernahm Baumann aus einem Online-Shop.

Erwartungen werden heruntergeschraubt

Die Auswertung der Experimente zeigte, dass die Versuchspersonen tatsächlich nicht die vom Computer errechnete komplexe Ideal-Strategie anwandten. Stattdessen benutzten sie einen sogenannten linearen Schwellenwert: „Der Preis, den ich zu zahlen bereit bin, erhöht sich jeden Tag um einen konstanten Betrag. Das heißt, ich akzeptiere einen höheren Preis, je weiter fortgeschritten ich im Prozess bin“, erklärt Baumann. Dieses Prinzip lässt sich nicht nur auf Einkäufe anwenden, sondern auch auf andere Situationen wie die Stellen- oder Partnersuche: „Am Anfang sind meine Ansprüche hoch. Sie werden über die Zeit jedoch gesenkt, so dass ich am Schluss einen Job oder Partner wähle, den ich anfangs abgewiesen hätte.“

Ein Modell simuliert die menschliche Strategie

Anhand der Experimente ist es Baumann gelungen, ein mathematisches Modell zu entwickeln, dass das menschliche Verhalten in diesen verschiedenen Szenarien akkurat beschreibt. „Das hilft uns, die Entscheidungsfindung besser zu verstehen“, sagt Baumann. Das Modell erlaubt es auch, anhand von Simulationsstudien vorauszusagen, unter welchen Umständen wir dazu neigen, ein Produkt zu früh zu kaufen – oder aber zu lange zögern und dann nehmen müssen, was kommt. Baumann kann sich durchaus vorstellen, dass diese Erkenntnisse in Zukunft dazu beitragen, schwierige Entscheidungen zu erleichtern: „In der heutigen digitalen Welt gibt es ein Übermaß an Informationen und Angeboten, die bei Entscheidungen hinzugezogen werden können. Unsere Arbeit liefert einen Ausgangspunkt, um das Suchverhalten von Menschen besser zu verstehen. Dies ermöglicht uns, Suchumgebungen beispielsweise in Online Shops so zu strukturieren, dass Menschen bei der Navigation in dieser Flut an Daten unterstützt werden.“ 

Finanzierungshinweis: Die Studie wurde unterstützt vom Schweizerischen Nationalfonds.

Literatur

Baumann, C., Singmann, H., Gershman, S. J. & von Helversen, B. (2020). A Linear Threshold Model for Optimal Stopping Behavior. PNAS, 117 (23). DOI: 10.1073/pnas.2002312117