Das Typologie-Quadrat schafft Klarheit

Soll ich mich als Vorgesetzter eher als Motivator oder als Coach verhalten? Liegt die Situation überhaupt noch in meinem Einflussbereich? Ist der Mitarbeiter vielleicht sogar nur in meiner Wahrnehmung „schwierig“? Wer die richtigen Fragen stellt, kann erfolgversprechende Lösungen finden. Dafür wurde das Modell des Typologie-Quadrats entwickelt, das bereits bei mittelständischen Unternehmen und im öffentlichen Dienst eingesetzt wurde.

Nichtwollen oder Nichtkönnen

Erlebt eine Führungskraft einen Mitarbeiter als schwierig, sollte sie sich zunächst einmal fragen, ob es sich bei dem Verhalten um ein „Nichtwollen“ oder um ein „Nichtkönnen“ handelt. Entweder kann sich ein Mitarbeiter aus gutem Grund nicht anders verhalten (z.B. aufgrund familiärer Schwierigkeiten) oder er will sich aus manchmal nachvollziehbaren Gründen nicht anders verhalten (z.B. weil er sich nicht ins Team integrieren möchte). Dabei hat jede Führungskraft meist individuell und situationsabhängig ihre eigenen Bezeichnungen für „schwierige Mitarbeiter.“ 

Abgrenzung und Aktion

Hat die Führungskraft den Mitarbeiter anhand der Dimensionen Wollen/Können eingeordnet, folgt im nächsten Schritt die Abgrenzung: Liegt die jeweilige Problematik in meinem eigenen Einflussbereich (Einfluss Führungskraft) oder nicht (Einfluss Mitarbeiter)? Es gibt durchaus Situationen, in denen eine Einflussnahme durch die Führungskraft nicht möglich ist und die Lösung der Problematik außerhalb des Führungsrahmens liegt. 

Als Beispiele gelten schwerwiegende psychische Erkrankungen (z.B. Burnout), Alkohol- oder Drogensucht. Diese Fälle erfordern externe professionelle Hilfe von Psychotherapeuten und Ärzten. Führungskräfte, die das erkennen und sich abgrenzen, helfen letztlich auch sich selbst. Sie werden durch die Problematik nicht selbst in Mitleidenschaft gezogen und können ihre Energie für sich und die anderen Mitarbeiter einsetzen.

Selbstreflexion: konstruiert oder real

Es kann sein, dass ein Mitarbeiter objektiv gar nicht schwierig ist, sondern nur die Führungskraft ihn subjektiv als schwierig empfindet. Bei diesen „konstruiert“ schwierigen Mitarbeitern liegt eine faire Lösung folglich weniger beim Mitarbeiter als vielmehr bei der Führungskraft. 

Verantwortungsvolle Vorgesetzte setzen daher auf Selbstreflexionund fragen sich:

  • Erachte ich einen Mitarbeiter vielleicht nur deswegen als schwierig, weil ich z.B. seine Ansichten und Werte, sein Auftreten, seine Art des Umgangs nicht leiden kann?
  • Projiziere ich meine ablehnende Haltung auf seine Leistung und bin daher unzufrieden?

Die Antwort auf diese Frage ist umso wichtiger, als die daraus abgeleiteten Handlungsalternativen unterschiedlicher Natur sind. Der Hebel liegt entweder bei der Führungskraft selbst oder eben doch beim Mitarbeiter. 

Motivator oder Coach

Ein weiterer Aspekt ist die Klärung der Rollen einer Führungskraft. Ist sie eher Coach oder Motivator? Hat man sich dafür entschieden, dass der Mitarbeiter die erforderte Leistung nicht erbringen kann, wird die Führungskraft vor allem als Coach aktiv. Spricht das problematische Mitarbeiterverhalten eher für den Bereich des „Nichtwollens“, muss sie vor allem als Motivator tätig werden. 

Dabei wird grundsätzlich zwischen extrinsischer und intrinsischer Motivation unterschieden. Während extrinsische Motivation vor allem auf Belohnung und Verstärkung (z.B. durch finanzielle Anreize, Zielvereinbarungen, Incentives, Beförderung) beziehungsweise auf Bestrafung und Druck (z.B. Androhung von Sanktionen) beruht, ist intrinsische Motivation dann vorhanden, wenn sich der Mitarbeiter von der Sache her für die berufliche Tätigkeit interessiert. Beispiele für Führungsverhalten, bei dem sich die intrinsische Motivation der Mitarbeiter entfalten kann, sind:

  • Mitarbeiter an Entscheidungen beteiligen → erlebte Wertschätzung
  • über Sinn und Bedeutung der Tätigkeit sprechen → erlebte Sinnhaftigkeit
  • Autonomie und eigenverantwortliches Handeln stärken → erlebte Selbstverantwortung
  • Mitarbeiter loben, ihre Stärken und die Ergebnisse ihrer Arbeit herausstellen → erlebter Stolz
  • Aufgaben stellen, die herausfordern und Spaß machen → erlebter Flow

Extrinsische Motivation wirkt meist nur kurzfristig, intrinsische hingegen langfristig. Auf lange Sicht sollten daher Vorgehensweisen in Betracht gezogen werden, die die intrinsische Motivation fördern. Beachtet werden sollte dabei, dass eine Führungskraft ihre Mitarbeiter nicht intrinsisch motivieren kann. Sie kann nur ein Umfeld schaffen, in dem intrinsische Motivation gedeiht. 

Daher sollte sich die Führungskraft folgende Fragen stellen: 

  • Kann ich als Führungskraft kurzfristig extrinsisch motivieren?
  • Welche Bedingungen kann ich langfristig schaffen, um die intrinsische Motivation zu erhöhen?

Klare Positionierung

Um das Typologie-Quadrat erfolgreich anwenden zu können, muss die Führungskraft ihre Mitarbeiter gut kennen, damit sie die richtige Einschätzung vornehmen kann. Vor allem die Unterscheidung von „Nichtwollen“ und „Nichtkönnen“ sollte umsichtig getroffen werden. 

Der Vorteil des Typologie-Quadrats ist vor allem die klare Positionierung. Die Analyse mittels der Typologie führt zu einer klaren Verhaltensposition gegenüber dem Mitarbeiter. Beide wissen, woran sie sind, und haben Klarheit. Das verhindert ein mögliches „Oszillieren“ der Führungskraft: heute Motivator, morgen Coach. 

Sollte die gewählte Handlungsalternative nicht zum Erfolg führen, war möglicherweise die Einordnung falsch, und es kann eine andere Handlungsoption ausprobiert werden. Allerdings sollte ein grundlegender Wechsel der Führungsrolle vom Coach zum Motivator von einem offenen Gespräch mit dem Mitarbeiter begleitet werden.

Literatur

Michael Lorenz & Uta Rohrschneider (2008). Praktische Psychologie für den Umgang mit Mitarbeitern. Frankfurt am Main: Campus. 

Rolf Arnold (2012). Wie man führt, ohne zu dominieren: 29 Regeln für ein kluges Leadership. Heidelberg: Carl-Auer.

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