Menschen erleben Digitalisierung als sozialen Wandel

Für viele Menschen bedeutet die Digitalisierung nicht nur, dass sie neue Technologien nutzen. Sie nehmen grundlegende soziale Veränderungen in ihrem Privatleben, im Arbeitsleben und im gesellschaftlichen Zusammenleben wahr. Das hat Auswirkungen darauf, wie Menschen die Digitalisierung einschätzen. Ob sie ihr eher zustimmend oder eher ablehnend gegenüber stehen hängt davon ab, inwiefern die eigene Handlungsfähigkeit eingeschränkt wird.

Die Digitalisierung wird von vielen Menschen als Umbruch wahrgenommen. Dies ergab eine neue Studie des Bayerisches Forschungsinstitut für Digitale Transformation bidt. Der Umbruch bezieht sich jedoch nicht nur auf den technologischen Aspekt. Digitalisierung wird auch als sozialer Wandel gesehen. Dabei erleben jüngere Menschen diesen Wandel eher als kontinuierliche Entwicklung. Für ältere Menschen stellen sich die Veränderungen eher als stärkerer Einschnitt dar.

Aber wird die digitale Transformation von Menschen nun als Chance oder als Bedrohung gesehen? Dies ist eine der Fragen, die im Rahmen einer Studie des Bayerischen Forschungsinstituts für Digitale Transformation (bidt) untersucht wurden. Um diese Frage beantworten zu können, bezogen sich die Forschenden auf die folgenden vier exemplarischen Entwicklungen:

  • Automatisierung der Arbeit
     
  • Flexibilisierung der Arbeit
     
  • Wandel der Kommunikation im privaten Alltag
     
  • Internet als neue Infrastruktur für Dienstleistungen

Wird die eigene Handlungsfähigkeit eingeschränkt?

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass Menschen die Folgen des digitalen Wandels danach beurteilen, ob die Digitalisierung die eigene Handlungsfähigkeit einschränkt oder erweitert. Diese Beurteilung ist subjektiv und ergibt sich aus konkreten Bedingungen.

Ein Beispiel aus der Arbeitswelt: Durch die Digitalisierung im Unternehmen wäre es für Mitarbeitende möglich, ihre Arbeitszeit flexibel zu gestalten. Doch im Unternehmen gibt es keine Regeln dazu. Stattdessen werden noch mehr Aufgaben auf die einzelnen Mitarbeitenden verteilt. Dies führt zu einem Anstieg der Arbeitsverdichtung. Dadurch sind die Mitarbeitenden in ihrer Handlungsfreiheit massiv eingeschränkt, weil sie ihre Arbeitszeit nicht flexibel gestalten können.

Aber es gibt auch positive Beispiele: In einem Industrieunternehmen wurde die Automatisierung so gestaltet, dass Mitarbeitende nicht darum bangen müssen, durch eine Maschine ersetzt zu werden. So wird ein Gerätebediener beispielsweise durch einen Roboterarm unterstützt. Dadurch nimmt die körperliche Belastung für den Mitarbeiter ab und seine menschlichen Fertigkeiten und Kompetenzen gewinnen an Bedeutung.

Bewertung von Digitalisierung im privaten Alltag

Ähnlich verhält es sich im privaten Alltag: Kommunizieren Menschen häufiger in digitaler Form und bereichert dies die sozialen Beziehungen der einzelnen Person, so erweitert sich der Handlungsspielraum. Die Digitalisierung wird von diesen Menschen positiv bewertet. Erleben Menschen hingegen die digitale Kommunikation als Verlust des „Menschlichen“ im sozialen Austausch, wird die Digitalisierung eher als negativ bewertet.

Etwas schwieriger wird es, wenn Menschen unterschiedliche Erfahrungen mit derselben technischen Entwicklung machen: Auf der einen Seite nutzen viele Menschen im Privatleben gerne digitale Dienstleistungen. Dies sehen sie als Chance, um ihre persönliche Lebensqualität zu verbessern. Auf der anderen Seite arbeiten, hören oder lesen diese Menschen von schlechten Arbeitsbedingungen und geringer Bezahlung bei großen Internethändlern.

Digitalisierung muss Menschen mehr Handlungsfreiheit geben

Was kann also dazu beitragen, dass die Digitalisierung von vielen Menschen als Chance wahrgenommen wird? Die Forschenden der Studie empfehlen, dass die digitale Transformation dazu führen muss, dass Menschen ihre eigene Handlungsfähigkeit erweitern können. Sie verweisen dazu auf das Konzept des Empowerments. Für die Arbeitswelt bedeutet dies beispielsweise, dass großes Potenzial darin liegt, wenn Beschäftigte ihre Arbeitsbedingungen mitgestalten können.

Auf individueller Ebene kann dies bedeuten, dass Mitarbeitende sich selbst Grenzen setzen und klare Prinzipien definieren. Eine Mitarbeitende kann als individuelle Grenze beispielsweise festlegen, dass sie nur zu bestimmten Zeiten über ihr Arbeitshandy erreichbar und das Handy am Wochenende ausgeschaltet ist. Darüber hinaus sollten im Unternehmen aber auch verbindliche Regelungen für kollektive Handlungsstrategien bestehen. Eine entsprechende Regel kann lauten, dass Mitarbeitende nicht permanent erreichbar sein müssen. Dies unterstützt die Mitarbeitenden darin, eigene Grenzen zu ziehen.

Literatur:                       

Lühr, T., Ziegler, A., Vogl. E. & Boes, A. (2020). Umbruch erleben – Wie erleben die Menschen die digitale Transformation? bidt – Bayerisches Forschungsinstitut für Digitale Transformation.